Die für uns wichtigsten Aspekte der Dinge sind durch
ihre Einfachheit und Alltäglichkeit verborgen.
(Man kann es nicht bemerken- weil es immer vor Augen hat)
Di eigentlichen Grundlagen seiner Forschung
fallen dem Menschen nicht auf.
Ludwig Wittgenstein
Bei der Propriozeption handelt es sich um einen Teilaspekt der Koordination, die
auch als Tiefensensibilität bezeichnet wird. Die Propriozeption ist unser verborgener sechster Sinn, sie ist der ständige unbewusste Fluss von Informationen über die bewegliche Teile unseres Körpers, Muskeln, Sehnen, Gelenken. Mit ihrer Hilfe werden unsere Haltung, unsere natürliche Muskelspannung und unsere Bewegungen unablässig überwacht und den jeweiligen Umständen angepasst. Dass dies jedoch automatisch und unwillkürlich geschieht, merken wir nicht davon.
Beim Studium der aktuellen Literatur finden sich Hinweise, dass v.a. die Gleichgewichtsfähigkeit, die Anpassungsfähigkeit, die Reaktionsfähigkeit wie auch die Differenzierungsfähigkeit in diesem Zusammenhang eine wesentliche Bedeutung haben.
Propriozeptive Training zielt diesen Theorien folgend auf die Verbesserung der
Tiefensensibilität ab, wobei die Körperwahrnehmung im Vordergrund steht. Sie zielt
jedoch auch auf die reflektorische Muskelaktivität (bei passivem und aktivem
Bewegen) sowie die Wiederherstellung und Stabilisierung von Gelenkstellungen.
Über Rezeptoren (Signalaufnehmer) werden die zahlreichen Informationen, die
sekündlich auf uns niederprasseln, aufgenommen.
Die Propriozeptoren sind Signalaufnehmer die uns Informationen über die Muskellänge, Sehnendehnung, Gelenkstellungen sowie die Lage und die Bewegung unseres Körpers liefern.
Auch das Gleichgewichtsorgan des Körpers wird ebenfalls den Propriozeptoren
zugeordnet.
Seit das Dehnen in der Funktionellen Gymnastik stärker hinterfragt wird, erfährt die
Propriozeption Training starke Nachfrage. So zeigt sich, dass die bisher angenommenen
Wirkungen des Dehnens nicht oder nur teilweise erfüllt werden.
Die Propriozeption ist die Eigenwahrnehmung. Nur durch die Eigenwahrnehmung sind wir in der Lage, unseren Körper als zu uns gehörig, als unser Eigentum, als uns selbst zu erleben. Dass es geschieht so automatisch und so selbstverständlich, dass wir nie einen Gedanken darauf verschwenden.
Dr. Oliver Sacks, Professor für Klinische Neurologie in seiner Studie über die Propriozeption beschreibt ein Beispiel.
"Christina war siebenundzwanzig Jahre alt, eine kräftige, selbstbewusste, körperlich wie geistig robuste Frau, Hockey spielte und gern ritt. Im laufe ihres erfüllten Lebens voller Aktivitäten war sie kaum jemals einen Tag krank gewesen….
Es kam für sie sehr überraschend und unerwartet. Christina erwachte eines Morgens und konnte sich nur sehr unsicher auf den Beinen halten, vollführte ungelenke, rudernde Bewegungen und liess immer wieder Gegenstände fallen. Die Tage später sie konnte stehen wen sie dabei auf ihre Füsse sah. Ihre Hände machten sich selbständig und sie konnte nur etwas festhalten, wenn sie die Hände im Auge behielt.
Diagnose war der Totale Ausfall der Eigenwahrnehmung. In der ersten Woche Christina tat nicht. Sie lag teilnahmslos da und ass kaum etwas. Was für ein Leben erwartete sie, wen sie das Gefühl hatte, keinen Körper zu besitzen? aber das Leben behauptete sich. Christina begann sich zu bewegen. Zuerst konnte sie nicht tun, ohne ihre Augen zu gebrauchen. sobald sie sie schloss, brach sie hilflos zusammen. Sie musste lernen sich mit Hilfe ihrer Augen zu überwachen und auf jeden Teil ihres Körpers, den sie bewegte, mit fast schmerzhafter Konzentration und Sorgfalt zu achten. Mit der Zeit wurden ihre Bewegungen immer feiner und natürlicher obwohl Christina dabei noch stets auf ihre Augen angewiesen war. Christina hat unbewusstes Feedback der Eigenwahrnehmung mit der visuellen Wahrnehmung des Körpers ersetzt. "
Was ist die Propriozeptive Training?
Das Training der Propriozeption bedeutet in erster Linie die Schulung der Gleichgewichtssinnes. Das heisst, dass eine nicht gut ausgeprägte Gleichgewichtfähigkeit die Gesamtkoordination negativ beeinflusst Das Ziel des Propriozeptive Trainings besteht in den positiven Beeinflussung der Tiefensensibilität und der reflektorischen Stabilisationsfähigkeit und somit auch der Bewegungsharmonie.
Es geht vornehmlich um Übungen auf instabilen Untergründen, also etwa dem Aero-
Stepp, dem Sitzball, auf Luftkissen, Balancebretter, Therapiekreiseln, Wackelmatten.
Hier wird zunächst einfach begonnen, wenn sich jedoch das Nervensystem an
bestimmte Übungen gewöhnt hat, ist es sinnvoll, den Schwierigkeitsgrad zu
erhöhen, d.h. den Bewegungsablauf bzw. das Bewegungsmuster zu stören. Dies
geschieht etwa durch die Reduzierung der Auflagefläche (eines Körperteils, des
Körpers als ganzem oder eines Gerätes) sowie durch Hinzufügen von weiteren
koordinative Aufgaben wie bspw. Balancieren und Jonglieren, Balancieren und
Werfen oder Hüpfen mit Störungen von aussen.
Die Trainierbarkeit der Propriozeptoren ist noch weitgehend unerforscht – nur die
Funktionsweise und Anpassungen unseres Nervensystems sind bekannt. Als
anpassungs- Erscheinungen findet man daher eine verbesserte Vernetzung und Kontakte bestimmter Gehirnareale;
Als Ziel lässt sich formulieren: durch Propriozeptive Training gelangt unser Körper
in die Lage, kompetenter und besser zu reagieren.
Welche Analysatoren sind zu einer solchen Steuerung nötig?
Statisch- dynamischer Analysator, Gleichgewichtorgan im Innenohr,
der die richtige Raumlage des Körpers sowie Richtungs- und
Beschleunigung Veränderungen des Kopfes feststellt;
Kinästhätischer Analysator, Rezeptoren der Muskelspindeln, Sehnen, Bänder und Gelenke, die Auskunft über das Raum- Zeit- Spannungsverhältnis des Körpers geben,
welches wichtig für die Kontrolle der Eigenbewegung, die Entwicklung einer
Bewegungsvorstellung sowie eines Bewegungsgedächtnisses sind;
Optischer Analysator, die Auge, der einen wichtigen Beitrag zur Gleichgewichtsregulation leistet, den Bewegungsvollzug sichert und Auskunft über Eigen- und Fremdbewegung
gibt;
Taktiler Analysator, Rezeptoren auf der Körperoberfläche, also der Haut, die den Bewegungsvollzug sichern und Auskunft über Eigen- und Fremdbewegung geben. Die besste Fühler, neben dem Gleichgewichtsorgan im Innenohr, für die Raumlage des Körpesrs, sind unsere Füsse;
Akustischer Analysator, Ohr der nach manchen Autoren eine untergeordnete Rolle spielt, aber wesentliche Auskünfte über Eigen- und Fremdbewegung gibt, was jeder weiss, der einmal ohne zu hören Ski gefahren ist.
Die Übungen der einen individuellen Leistungsstand anzupassen sind:
Die Übungen und Bewegungsmuster werden zunächst auf stabilem
Untergrund erlernt und dann geübt werden, bevor auf labilem oder instabilem
Untergrund trainiert und verbessert werden soll;
Der Reiz für die Verbesserung der Koordination ist umso besser, je kleiner die Unterstützungsfläche ist und je häufiger die Gleichgewichtsschulung erfolgt. Es ist nicht wichtig wie lange, sondern wie häufig!;
Ein ständige Wechsel zwischen stabiler und labiler Unterlage ist besonders wirksam;
Die Übungen sind umso schwerer, je mehr Analysatoren ausgeschaltet werden (Augen schliessen, Fremdgeräusche ausschalten, ein Beinstand, etc.)
Praktische Beispiele
Kinesphäre erforschen
Die Partner stehen sich gegenüber, legen die Handflächen aneinander und schliessen
die Augen. Nun Hände sinken lassen und sich mit geschlossenen Augen dreimal im
Kreis herumdrehen. Danach versuchen, mit geschlossenen Augen die Hände des
Partners wieder zu finden.
Richtung im Raum finden
Zwei Teilnehmer stehen sich in Linie an beiden Rhaumseiten gegenüber.
Der Teilnehmer der einen Seite fixiert sein Gegenüber auf der anderen Seite,
strecken einen Arm nach vorne aus, schliessen die Augen und gehen in diese
Richtung. Dabei versuchen sie, Ihr Gegenüber zu treffen.
Den eigenen Körper ausbalancieren
Das Gleichgewicht ist räumliche Bewegungskoordination.
· Am Ort
· Auf verschiedenen beweglichen Geräten
· In der Bewegung
· Auf verschiedenen Unterstützungsflächen
Die Basisübungen zur Förderung des Gleichgewichtes:
Auf beiden Beinen stehen, Augen geschlossen,
Auf einem Fuss stehen, das andere Bein schwingen,
Auf einem Fuss stehen, Augen geschlossen halten,
Auf mobilem Untergrund stehen( Ballkissen, Softball, Balancierkreisel, Proprio Schaukel)
Auf mobilem Untergrund stehen, Augen geschlossen halten.
Ideokinese
Sie als Springbrunnen
Eine gute Übung beim Duschen. Sie spüren im Stehen ihren ganzen Körper. Dem Wasserstrahl der auf ihrem Kopf fällt leisten sie in Gedanken Widerstand. Stellen sie sich vor Sie wären ein Springbrunnen. Der Kopf ist ein Luftballon der auf dem Wasser des Springbrunnens balanciert. In ihrem Inneren strömt Wasser nach oben, durch die Beine und entlang der Wirbelsäule. Der Nacken wird lang und beweglich. Dann fällt das Wasser nach unten und Ihre Schulterblätter fallen mit nach unten und nach aussen.
Diese Übung kann, auch ohne Wasserstrahl, überall wo sie beispielsweise lange stehen müssen, ausgeführt werden.
Sie als der Akrobat
Stellen Sie sich vor Sie währt ein Akrobat der auf eine bewegliche Stange stehet. Spüren Sie ihre Füsse und ihre Fusssohle. Spüren Sie ihre Füsse als balancierender Kontakt Stellen. Sie müssen versuchen Wahrzunehmen wie sich ihr Gleichgewicht gefühlt synchron mit Bewegungen ihre Füsse ändert.
Sie als Bambus
Schliessen Sie im Stehen die Augen und versuchen Sie ihren ganzen Körper wahrzunehmen. Ihre Füsse die mit ihren Sohlen auf dem Boden zuerst kleben und dann wachsen in den Boden ein. Achten sie dann langsam auf die kleine, weiche Bewegungen die sich durch Ihr Körper ständig in dem Gleichgewicht hält. Wenn Sie richtig wahrnehmen dann spüren Sie dass Sie dabei nicht tun müssen. Die Bewegungen sind einfach da. Ihr Körper bewegt sich wie ein Bambus in dem Wind. So lernen Sie die Bewegungen die Ihre ständigen Begleiter sind kennen.
Der Magischer Gelenk- Atlas
Stellen Sie sich vor Ihre Kopf ist ein Ball der auf Ihrem obersten Halswirbel, Atlas balanciert. Stellen Sie sich vor der Atlas ist die Handfläche ihres Armes und versuchen Sie mit dem Ball auf den Fingerspitzen zu spielen.
Wenn Sie die Bewegungen Ihres Kopfes wahrgenommen haben, dann versuchen Sie den Kopf auf einem Finger zu jonglieren. Mit kleinen nick Bewegungen Ja und Nein schallten Sie automatisch der zweiten Halswirbel Axis im Spiel ein. Bei Ja- Bewegung bewegt sich ihr Kopf im ersten Gelenk. Bei Nein- Bewegung bewegt sich ihr Kopf im zweiten Gelenk. Versuchen Sie diese kleine rotation Bewegungen wahrzunehmen, dann spüren sie dass die geschieht ohne dass Sie sich mit drehen müssen.
Der Unsichtbare Tanz
Finden Sie frei sitzend ohne sich anzulehnen eine gelöste Balance Ihres Körpers.
Erstarren Sie in dieser Haltung zunächst probehalber zu einer Statue, so dass Sie für ein paar Sekunden bewegungslos dasitzen.
Dann lassen Sie kleine Bewegungen in Ihrem Becken und Oberkörper zu.
Genießen Sie all die kleinen, weichen Bewegungen, durch die sich Ihr Körper ständig in Balance hält.
Spielen Sie mit langsamen oder etwas schnelleren Bewegungen;
mit etwas grösseren oder so kleinen, dass sie äusserlich kaum sichtbar sind.
Experimentieren Sie mit dem Unterschied zwischen bewusst erzeugten, dirigierten Bewegungen und solchen, die ohne Ihre bewusste Steuerung einfach innen geschehen.
Wo entstehen die Bewegungen?
Im Becken oder im mittleren Rücken?
Oder tief drinnen in der Gegend der Lunge
oder des Herzens?
Oder . . .???
Die Kunst des Tragens
Finden Sie frei stehend ein Gefühl für Ihre natürliche Körperaufrichtung.
Hängen Sie sich dann eine Schultertasche über eine Schulter.
Tragen Sie diese wie gewohnt und beobachten Sie, was sich durch die Tasche an Ihrer Körperhaltung verändert.
Hierzu ist es gut, ein paar mal hin und her zu wechseln:
mit Tasche,
ohne Tasche,
mit den Koffer,
ohne den Koffer
Experimentieren Sie mit den zwei folgenden Möglichkeiten:
durch die Schultertasche verlieren Sie an Körpergrösse und an Aufrichtung; (wo genau im Körper passiert dies?)
durch die Schultertasche belastung wird Ihre belastete Schulterseite tieffer.
durch die Schulterasche belastung wird Ihre belastete Schulterseite höcher.
Ihre innere Linie und Aufrichtung bleiben erhalten, sie wird durch die Belastung sogar leicht verstärkt.
Wechseln Sie auch hier mehrmals hin und her.